Wintergedichte
Winterzeit
Verschneit......
Verschneit liegt rings die ganze Welt,
ich hab nichts, was mich freuet,
verlassen steht ein Baum im Feld,
hat längst sein Laub verstreuet.
Der Wind nur geht bei stiller Nacht
und rüttelt an dem Baume,
da rührt er seine Wipfel sacht
und redet wie im Traume.
Er träumt von künftger Frühlingszeit,
von Grün und Quellenrauschen,
wo er im neuen Blütenkleid
zu Gottes Lob wird rauschen.
Joseph Freiherr von Eichendorff (1788 - 1857)
Sehnsucht nach dem Frühling
O wie ist es kalt geworden
und so traurig, öd' und leer!
Rauhe Winde wehn von Norden,
und die Sonne scheint nicht mehr.
Auf die Berge möcht' ich fliegen,
möchte sehn ein grünes Tal,
möcht' in Gras und Blumen liegen
und mich freun am Sonnenstrahl.
Möchte hören die Schalmeien
und der Herden Glockenklang,
möchte freuen mich im Freien
an der Vögel süßem Sang.
Schöner Frühling, komm doch wieder,
lieber Frühling, komm doch bald,
bring uns Blumen, Laub und Lieder,
schmücke wieder Feld und Wald!
Heinrich Hoffmann von Fallersleben (1798 - 1874)
Erster Schnee
Aus silbergrauen Gründen tritt
ein schlankes Reh
im winterlichen Wald
und prüft vorsichtig Schritt für Schritt,
den reinen, kühlen, frischgefallenen Schnee.
Und deiner denk ich, zierlichste Gestalt.
Christian Morgenstern (1871 - 1914)
Alles still!
Alles still! Es tanzt den Reigen
Mondenstrahl in Wald und Flur,
und darüber thront das Schweigen
und der Winterhimmel nur.
Alles still! Vergeblich lauschet
man der Krähe heisrem Schrei.
keiner Fichte Wipfel rauschet,
und kein Bächlein summt vorbei.
Alles still! Die Dorfeshütten
sind wie Gräber anzusehn,
die, von Schnee bedeckt, inmitten
eines weiten Friedhofs stehn.
Alles still! Nichts hör ich klopfen
als mein Herze durch die Nacht
heiße Tränen niedertropfen
auf die kalte Winterpracht.
Theodor Fontane (1819 - 1898)
Christgeschenk
Mein süßes Liebchen! Hier in Schachtelwänden
gar mannigfalt geformte Süßigkeiten.
Die Früchte sind es heil'ger Weihnachtszeiten,
gebackne nur, den Kindern auszuspenden!
Dir möcht ich dann mit süßem Redewenden
poetisch Zuckerbrot zum Fest bereiten;
allein was soll's mit solchen Eitelkeiten?
Weg den Versuch, mit Schmeichelei zu blenden!
Doch gibt es noch ein Süßes, das vom Innern
zum Innern spricht, genießbar in der Ferne,
das kann nur bis zu dir hinüberwehen.
Und fühlst du dann ein freundliches Erinnern
als blinkten froh dir wohlbekannte Sterne,
wirst du die kleinste Gabe nicht verschmähen.
Johann Wolfgang von Goethe (1749 - 1832)
Die heil'gen Drei Könige
Die heil'gen Drei Könige aus dem Morgenland,
sie frugen in jedem Städtchen:
"Wo geht der Weg nach Bethlehem,
ihr lieben Buben und Mädchen?"
Die Jungen und Alten, sie wußten es nicht,
die Könige zogen weiter,
sie folgten einem goldenen Stern,
der leuchtete lieblich und heiter.
Der Stern bleibt stehn über Josefs Haus,
da sind sie hineingegangen;
das Oechslein brüllt, das Kindlein schrie,
die heil'gen Drei Könige sangen.
Heinrich Heine (1797 - 1856)
Schneegedicht
Unendlich dehnt sie sich, die weiße Fläche,
bis auf den letzten Hauch von Leben leer;
die muntern Pulse stocken längst, die Bäche,
es regt sich selbst der kalte Wind nicht mehr.
Der Rabe dort, im Berg von Schnee und Eise,
erstarrt und hungrig, gräbt sich tief hinab,
und gräbt er nicht heraus den Bissen Speise,
so gräbt er, glaub' ich, sich hinein ins Grab.
Die Sonne, einmal noch durch Wolken blitzend,
wirft einen letzten Blick auf's öde Land,doch,
gähnend auf dem Thron des Lebens sitzend,
trotzt ihr der Tod im weißen Festgewand.
Christian Friedrich Hebbel (1813 - 1863)
Der Fichtenbaum
Ein Fichtenbaum steht einsam
im Norden auf kahler Höh'.
Ihn schläfert; mit weißer Decke
umhüllen ihn Eis und Schnee.
Er träumt von einer Palme,
die, fern im Morgenland,
einsam und schweigend trauert
auf brennender Felsenwand.
Heinrich Heine (1797 - 1856)
Advent
Noch ist Herbst nicht ganz entflohn,
aber als Knecht Ruprecht schon
kommt der Winter hergeschritten,
und alsbald aus Schnees Mitten
klingt des Schlittenglöckleins Ton.
Und was jüngst noch, fern und nah,
bunt auf uns herniedersah,
weiß sind Türme, Dächer, Zweige,
und das Jahr geht auf die Neige,
und das schönste Fest ist da.
Tag du der Geburt des Herrn,
heute bist du uns noch fern,
aber Tannen, Engel, Fahnen
laßen uns den Tag schon ahnen,
und wir sehen schon den Stern.
Theodor Fontane (1819 - 1898)
Wunderweiße Nächte
Es gibt so wunderweiße Nächte,
drin alle Dinge Silber sind.
Da schimmert mancher Stern so lind,
als ob er fromme Hirten brächte
zu einem neuen Jesuskind.
Weit wie mit dichtem Demantstaubebestreut,
erscheinen Flur und Flut,
und in die Herzen, traumgemut,
steigt ein kapellenloser Glaube,
der leise seine Wunder tut.
Rainer Maria Rilke (1875 - 1926)
Natürlicher Verstand kann fast jeden Grad von Bildung ersetzen, aber keine Bildung den natürlichen Verstand.
Arthur Schopenhauer, deutscher Philosoph, (1788 - 1860)